Herr Bürgermeister Heuer, Herr Dr. Schüle, Wie kam es 1994 zur Gründung von EPL durch die beiden Gesellschafter Stadt Langenhagen und enercity, damals noch Stadtwerke Hannover AG.
Dr. Manfred Schüle: Die Motivation, die EPL zu gründen, ergab sich, nachdem die Stadt Langenhagen zusammen mit den damaligen Stadtwerken Hannover ein Energiekonzept erstellt hatte.
Bürgermeister Mirko Heuer: Es war ein Konzept, das aufgezeigt hat, wie in Langenhagen effizient und klimagerecht Energieversorgung betrieben werden kann. Das war Anfang der 90er Jahre ein sehr fortschrittlicher Ansatz
Schüle: Stimmt. Zum damaligen Zeitpunkt war die dezentrale Kraft-Wärme-Kopplung mit effizienter Wärmeversorgung ein völlig neuer Ansatz in der Energiewelt. Und die Stadt Langenhagen hatte damals die Idee, das Neubaugebiet Weiherfeld mit einem fortschrittlichen Wärmekonzept auf Basis von Kraft-Wärme-Kopplung auszustatten. Als das Konzept dann vorlag und einige gute Ideen enthielt, tauchte die Frage auf: „Wer setzt das jetzt um?“
Der damalige Vorstandsvorsitzende der Stadtwerke Hannover, Dr. Deppe, und der Langenhagener Stadtdirektor Dr. Rosenzweig hatten die Idee, dies zusammen in einer gemeinsamen Gesellschaft zu machen. So wurde 1994 die gemeinsame Energie-Projektgesellschaft Langenhagen mbH (EPL) gegründet. Die erste Geschäftsstelle für die ersten Mitarbeiter war in der Konrad-Adenauer-Str. 10 in Langenhagen. Klimaschonende effiziente Energie für Langenhagen zu liefern war das Leitbild, mit dem die EPL gegründet wurde.
Heuer: Damit waren wir echte Vorreiter, denn damals waren solche Partnerschaften zwischen Kommunen und Versorgern noch eine Seltenheit.
Schüle: Die Idee war: Wir nehmen das Know-how der Stadtwerke und stellen das im Rahmen der gemeinsamen Gesellschaft in Langenhagen zur Verfügung. Die Stadt Langenhagen ermöglicht die Realisierung der Projekte durch die EPL. Das erste Projekt war damals die Wärmeversorgungsanlage im Schildhof mit dem dazugehörigen Wärmenetz. Sie bestand aus einer reinen Kesselanlage, die das Schulzentrum, das ehemalige Hallenbad am Schulzentrum, die Kita, die Feuerwehr und das Rathaus in Langenhagens Stadtmitte versorgte.
Die EPL hat dann diese veraltete Kesselanlage ersetzt und durch ein Blockheizkraftwerk (BHKW) ergänzt. Das war das erste in Langenhagen.
Der erste Geschäftsführer Bernd Hagenberg, der damals von den Stadtwerken entsandt wurde, hatte zunächst auch Stromanwendungen im Blick. Es wird erzählt, dass er damals durch die Kneipen Langenhagens zog und den Wirten dort empfahl:“Schraubt doch mal die Glühbirnen raus und Energiesparleuchten rein!“
Erst später hat sich herauskristallisiert, dass der Tätigkeitsschwerpunkt der EPL auf der Nahwärmeversorgung auf Basis effizienter Erzeugungsanlagen, insbesonders Kraft-Wärme-Kopplung, liegt.
Heuer: Langenhagen hatte bis dahin bis auf das eben erwähnte Schildhof-Netz keine Nah- und keine Fernwärme
Schüle: Schwerpunkt der ersten Jahre war tatsächlich, das Nahwärmenetz im Weiherfeld aufzubauen. Wir haben 1998 ganz einfach angefangen, indem wir dort eine mobile Containeranlage mit einem kleinen Kessel hingestellt haben, um die ersten Gebäude zu versorgen. Die Anlage wurde stetig vergrößert, bis die kritische Masse erreicht war und wir die Energiezentrale im Weiherfeld bauen konnten. Im Zuge des Erneuerbaren Energiegesetzes kam 2008 die Idee, in Sichtweite des Wohngebietes eine Biogasanlage zu bauen, die dann einen Teil des Erdgases durch Biogas ersetzte. So kam schon 2009 ein regenerativer Anteil ins Wärmenetz, der obendrein auch noch lokal erzeugt wurde. Damals hat noch niemand über „Defossilisierung“ oder „Dekarbonisierung“ der Energieversorgung gesprochen, wir waren wieder mal ein Vorreiter.
Was wir damals allerdings nicht wussten, war, dass uns das Weiherfeld 20 Jahre beschäftigen würde, bis es voll entwickelt war.
Warum war das so?
Heuer: Die Bautätigkeit und Vermarktung verlief langsamer als geplant und die ursprüngliche Planung mit Mehrfamilienhäusern funktionierte nicht richtig. Erst als man mit Reihenhäusern, Doppelhäusern und Einfamilienhäusern plante, lief es besser. Die Nachfrage nach dieser Bauart war damals einfach größer.
Schüle: Das bedeutete für EPL natürlich, dass auch die Wärmeversorgung an die neuen Anforderungen angepasst werden musste. Heute ist das Weiherfeld mit 28 Kilometer Netzlänge flächenmäßig das größte Wärmeversorgungsgebiet in Langenhagen.
Gibt es noch Ausbaumöglichkeiten?
Schüle: Im Weiherfeld sind wir begrenzt durch die S-Bahn-Linie und an der anderen Seite durch die bestehende Wohnbebauung. Aber bei den inzwischen fünf weiteren Wärmenetzen im Stadtgebiet gibt es noch Ausbaumöglichkeiten. Wir sind gerade in der Konzeptplanung im Schildhof noch weitere Erzeugungsanlagen zu errichten. Darüber hinaus haben wir für alle unsere Projekte einen Transformationsplan in Auftrag gegeben, in dem wir eine Roadmap entwickeln, wie wir unsere Erzeugung komplett auf regenerative Energie umstellen können.
Gibt es da schon Ideen?
Schüle: Man kann die Technologien durchgehen und schauen, was praktikabel ist. Man landet dann bei Wärmepumpen, die auf verschiedene Wärmequellen zurückgreifen: Erdwärme, Umgebungsluft, Abwasserwärme oder andere Abwärme. Zudem kann mit Biomasse, Wärme aus Strom oder Solarthermie, allerdings auf Grund der eingeschränkten Flächenverfügbarkeit nur in geringem Umfang, erneuerbare Wärme erzeugt werden.
Das bedeutet auf jeden Fall, dass wir noch mehrere Standorte entwickeln müssen, auf denen wir diese Erzeugungsanlagen dann bauen können, weil die Ausbaumöglichkeiten beim Schildhof sehr begrenzt sind.
Mehr Biogas ist wahrscheinlich nicht da, oder?
Schüle: Die Herstellung von Biogas ist jedenfalls vor Ort begrenzt. Wir setzen im Schildhof auch schon Biomethan ein, das über das Erdgasnetz aus Ronnenberg kommt. Das können wir ausbauen, soweit es am Markt verfügbar ist.
Gibt es denn Pläne für weitere Wärmenetze?
Schüle: Wir sind immer auf der Suche nach geeigneten Projekten. Allen unseren bisherigen Wärmenetzen liegt eine gemeinsame Idee zugrunde: Wir nehmen eine Liegenschaft der Stadt, in der Regel eine Schule, als Kristallisationspunkt und rund um die Schule suchen wir Kundinnen und Kunden, die auch Interesse an Wärmeversorgung haben. Das langfristige Ziel ist es, diese entstandenen Netze einmal zusammenzuführen zu einem Gesamtnetz. Das haben wir jetzt mit drei Netzen vor, die langsam aufeinander zuwachsen.
Was ist der Vorteil einer solchen Zusammenführung?
Schüle: Die Vernetzung ist größer und damit die Möglichkeit weitere Kundinnen und Kunden anzuschließen, ohne dass man immer nur auf eine Erzeugungsanlage angewiesen ist. Man kann dann über mehrere vernetzte Erzeugungsanlagen mehr Kundinnen und Kunden sicher versorgen.
Das Ganze wird nochmal durch die kommunale Wärmeplanung einen Schub bekommen, die gerade in der Durchführung ist.
Heuer: Und da hat die EPL dadurch, dass sie schon 30 Jahre Wärmenetze betreibt, sehr gut vorgearbeitet. Keine der 21 Kommunen in der Region Hannover hat so früh angefangen und ist so weit gekommen, wie Langenhagen in diesem Joint Venture mit enercity. Da war der frühe Anfang genau das richtige. Die Vision, die die Gründer der EPL damals hatten, hat sich komplett bewahrheitet und gereicht der Stadt Langenhagen nun zum Vorteil. Diese besondere Form der Zusammenarbeit ist eine Erfolgsstory, das hätte die Stadt Langenhagen allein nicht hinbekommen.
Nun macht EPL aber auch viel mit Photovoltaik.
Heuer: EPL wird oft nur als Wärmdienstleister wahrgenommen. Dabei können die in Sachen Klimaschutz wesentlich mehr. Es wurden bereits sechs große PV-Anlagen gebaut. Wir wollen auch beim Strom den regenerativen Anteil in Langenhagen deutlich erhöhen. Bei der klimaschonenden Wärme steht Langenhagen bereits regionsweit auf einem Spitzenplatz. Mit EPL wollen wir nun maßgeblich dabei mitwirken, dass unsere Stadt auch bei der Solarstrom-Produktion weiter nach vorne kommt.
Schüle: Angefangen hat die Geschichte mit der Photovoltaik schon 2013. Die Stadt hatte uns gefragt, ob wir auf der Schulmensa eine PV-Anlage errichten wollen. Damals haben wir schon gesehen, dass auch die dezentrale regenerative Stromerzeugung und lokale Nutzung vorteilhaft ist. Da schließt sich dann wieder der Kreis zur Wärmeversorgung.
Das neueste Projekt ist ja die Wasserwelt, seit Anfang Juni produziert die PV-Anlage auf dem Dach dort Strom. Gibt es schon weitere Pläne?
Schüle: Wir sind in der Grundschule in Engelbostel in Vorbereitung. Dort wird auf dem Erweiterungsbau eine ganz besondere PV-Anlage entstehen: Es ist eine sogenannte Indachanlage, die gleichzeitig das Dach des Gebäudes ist. Voraussichtlich wird sie Anfang 2025 in Betrieb gehen.
Und für eine Freiflächenanlage an der Bahnlinie zwischen der Bika, der Biogasanlage Kaltenweide sind wir gerade dabei, die Grundlagenermittlung und das Design zu entwickeln. Die ersten Voruntersuchungen sind schon gelaufen, die Netzverträglichkeitsprüfung ist erfolgt, das heißt die Frage, ob man die Anlage an das Netz des Netzbetreibers anschließen kann, ist positiv beschieden worden. Diese Anlage wird etwa 4,5 Megawatt erzeugen, damit kann man etwa 1.000 Haushalte mit Strom versorgen. Wir hoffen, dass wir im Laufe des Jahres 2025 mit dem Bau beginnen können.
Noch eine letzte Frage: Viele Unternehmen leiden unter dem Fachkräftemangel. Wie sieht es bei EPL aus?
Schüle: Wir haben diese Herausforderung auch.
Woran liegt es? Am Standort doch nicht.
Heuer: Daran liegt es gewiss nicht. Alle Angebote, die eine Stadt auszeichnen, liegen hier genauso nah wie die freie Natur. Langenhagen ist eine junge Stadt in alter Landschaft, ideal für junge Familien. Die Stadt gehört zur Region Hannover und grenzt an den Norden der niedersächsischen Landeshauptstadt Hannover.
Schüle: Viele junge Leute interessieren sich für Klima, aber wenige für Energietechnik. Die brauchen wir aber, um die Herausforderungen zu lösen. Wir suchen Fachkräfte und wer mitmachen will bei der Energiewende, der ist bei der EPL sehr willkommen.
Das Interview führte Thorsten Windus-Dörr, Journalist aus Hannover.
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